Von Dennis Redepenning auf Donnerstag, 01. September 2011
Kategorie: Oleg's Trainingstipps

Was ist eigentlich Muskelkater?

Ein Muskel entwickelt sich nur im Schmerz oder Was ist eigentlich Muskelkater?
Der Spruch klingt zwar hart und natürlich muss man im Training auch einmal durch den ein oder anderen Schmerz durch, aber rein physiologisch betrachtet ist ein solches Motto vollkommener Blödsinn.

Ich habe mich dazu entschlossen, hierzu einen Artikel zu schreiben, da immer noch viele Gerüchte zu dem Thema kursieren, weil es fast jeder schon einmal am eigenen Körper gespürt hat und weil das Phänomen Muskelkater im weitesten Sinne auch  ganz gut meinen Ausfall im ersten Teil der Saison erklärt.

Anatomische Grundlagen
Schaut man sich den Aufbau einer Muskelzelle an, dann findet sich die Ursache für die großen Schmerzen bei Muskelkater in den kleinsten Einheiten der Muskelzelle, den Sarkomeren. Das sind die Einheiten, die sich bei einer Muskelkontraktion zusammenziehen, weshalb der Muskel dann in seinem äußeren Erscheinungsbild dicker wird. Dabei gleiten die aus Eiweißmolekülen bestehenden  Aktin- und Myosinfilamente ineinander. Begrenzt wird ein Sarkomer durch die sogenannten Z-Streifen, an denen das Aktin befestigt ist (s. Abb. 1).

Abb. 1: Aufbau der Skelettmuskulatur.
Nach Markworth, P.: Sportmedizin, 21. Auflage, Reinbek 2007, S. 29 und Weineck, J.: Optimales Training, 9. Auflage, Balingen 1996, S. 258.

Der Schmerz hat seine Ursache letztendlich in kleinsten Verletzungen dieser Strukturen in der Muskelzelle. Bei starkem Muskelkater liegen regelrechte Zerreißungen der Z-Streifen, der kontraktilen Filamente sowie des umliegenden Bindegewebes vor (s. Abb. 2).

Abb. 2: Schematische Darstellung der Muskelzelle bei Muskelkater
Weineck, J.: Optimales Training, 9. Auflage, Balingen 1996, S. 258.

Ursachen:
Doch wodurch werden diese Verletzungen der Zellstruktur hervorgerufen? In der Regel führen ungewohnte Belastungsformen, -intensitäten und -umfänge zu einer Schädigung. Ich zum Beispiel bekomme sehr leicht Muskelkater, wenn ich intensiv Fußball, Handball oder Badminton spiele, obwohl ich sicherlich besser trainiert bin als meine Mitspieler. Das Problem liegt in den ungewohnten Kontraktionsformen. Bei den meisten Ballsportarten muss man viel Sprinten, wobei der Muskel besonders schnell und besonders kräftig kontrahiert. Dabei werden auch mehr Muskelfasern gleichzeitig benötigt als beim Ausdauerlauf. Dazu kommen die vielen Abstoppbewegungen, die besonders Belastend für die Muskulatur sind, da die Sarkomere kontrahieren und gleichzeitig auseinandergezogen (d.h. gedehnt) werden. Man spricht von sogenannten exzentrischen Muskelbelastungen. Diese liegen übrigens auch beim Bergabgehen oder –laufen vor, weshalb man, wenn man als Flachländer in den Bergen Wandern oder Laufen geht, leicht Muskelkater bekommt. In meinem Fall sind es also die ungewohnte Belastungsintensität sowie Kontraktionsform, die dazu führen, dass ich leicht Muskelkater bekomme.

Eine weitere Ursache für Muskelkater kann große Ermüdung der Muskulatur sein, wie sie bei ungewohnten Belastungsumfängen auftritt. So kann man vielleicht 45 Minuten gut laufen, ohne am nächsten Tag viel zu merken, bekommt aber Muskelkater, wenn man auf einmal 90 Minuten läuft.
An dieser Stelle sollte auch noch einmal ein lange verbreitetes Gerücht ausgeräumt werden: Muskelkater wird nicht durch Laktat (Milchsäure) ausgelöst!
Meine im Blog beschriebenen muskulären Probleme in dieser Saison kann man im Prinzip auch auf die ungewohnte und extrem lange und intensive Belastung der Muskulatur beim Berlin-Marathon zurückführen. Bei solchen Extrembelastungen sind trotz gutem Fettstoffwechsel und großer Kohlenhydratspeicher, letztere irgendwann erschöpft. Unter Wettkampfbedingungen halten die Kohlenhydratvorräte bei gut trainierten Sportlern bis zu 90 Minuten. Um den Energiestoffwechsel aufrecht zu erhalten, müssen Eiweiße Abgebaut werden. Überspitzt formuliert bedeutet das, dass die Muskulatur sich selber verbrennt. Man kann zwar durch frühzeitige und regelmäßige Substitution von Kohlenhydraten dem entgegenwirken, jedoch kann man in so hohen Intensitätsbereichen nicht annähernd so viel Energie aufnehmen, wie man verbraucht. Das Ergebnis sind viele zerstörte Muskelzellen.
Ich bin in Berlin im absoluten Grenzbereich gelaufen und konnte nach dem Überqueren der Ziellinie 2-3 Tage praktisch nicht gehen (selbst einen kleinen Kantstein konnte ich nur mit Hilfe oder großer Mühe überwinden). Es ist anzunehmen, dass im Laufe des Heilungsprozesses das Gewebe vernarbt ist, was in der Folge natürlich zu einer schlechteren Versorgung der Zellen und damit bei Belastung immer wieder zu Problemen führen musste. Die komplette Regeneration der Verletzungen brauchte in meinem Falls also mindestens 8 Monate.

Trainingstechnische Konsequenzen und Regeneration
Muskelkater ist also ein Phänomen, dass (z.T.) massive Verletzungen mit sich bringt und daher unbedingt zu vermeiden. Das bedeutet nicht, dass man sich im Training nicht auch mal richtig anstrengen und an seine Grenzen gehen soll, aber die Muskulatur muss darauf vorbereitet sein. D.h. dass man seine Trainingsumfänge- und -intensitäten langsam steigert und den Muskeln auch immer wieder Zeit gibt, sich an die geforderten Belastungen anzupassen. Sollte man doch einmal Muskelkater bekommen, dann heißt dies für das Training: Umfang und Intensität senken!

Da es sich um Verletzungen handelt, die möglichst schnell heilen sollen, kann man diese Heilung beschleunigen, in dem man für eine starke Durchblutung der betroffenen Strukturen sorgt und dabei die mechanische Belastung versucht gering zu halten. Lockeres Radfahren, Inlineskaten oder Schwimmen sind dabei lockeren Läufen aufgrund der sanfteren Kontraktionsformen vorzuziehen. Warme Bäder, Saunagänge und ganz leichte Massagen können die Regeneration positiv beeinflussen. Passives Dehnen der betroffenen Muskulatur, wie es beim Stretching getan wird, sollte unbedingt vermieden werden, da das mechanische Zerren an der Muskulatur diese zusätzlich Stresst.