Aktiv Team Steckbrief Nr. 5: Krystyna
Laufen - (M)eine bipolare affektive Störung
In meinem sozialen Umfeld mag der Eindruck entstanden sein, dass ich ausschließlich laufen würde, weil ich dann noch viel mehr naschen darf und nur jedes zweite Stück Marzipan- Nuss-Torte ablehnen muss. Diese Annahme muss ich hiermit nun leider widerlegen. In den letzten Wochen habe ich mir, überwiegend während meiner Läufe, Gedanken zum Thema "Was tu ich hier eigentlich? Und warum mache ich das überhaupt?!" gemacht. Rückblickend betrachtet, lässt sich sagen, dass es ein stetiger Prozess war…oder sollte man vielleicht sogar sagen, dass ich mir den Prozess gemacht habe?!
Fest steht: Laufen ist für mich viel mehr als eine rein mathematische Gleichung zwischen dem, was ich essen darf und dem Umsatz, den ich verbrenne. Laufen ist etwas sehr Persönliches, es hat nahezu was Philosophisches für mich.
Das Laufen löst Impulse, produziert neue Gedanken oder rekapituliert auch vergangene Gedanken, die bereits weit weg abgelegt worden sind. Wenn ich laufe, dann fühle ich mich und mein Inneres mit der Außenwelt, also der Umwelt, konfiguriert bzw. irgendwie vereint. Das Gefühl von MIR auf diesem großen Raum ERDE.
In dieser schnelllebigen und rasanten Zeit, in der wir heute Leben, weist mir jeder Schritt beim Laufen auf, wie weit die Welt doch ist. Wie groß dieser Raum in seiner Gänze sein mag.
Laufen bringt mir ein Gefühl für Nähe und Distanz spürbar in den Körper. Manchmal auch die Nähe und Distanz in zwischenmenschlichen Beziehungen, in diesen Fällen laufe ich dann besonders schnell ;) .
Ich möchte an dieser Stelle die Hypothese aufstellen, dass ein Lauf durchaus nachweislich einen therapeutischen Nutzen haben kann.
Die Atmung wird auf höchstem Niveau und ohne äußere Einwirkungen trainiert. So ist der Atemrhythmus, der nach einer turbulenten Woche oder nach einigen anstrengenden Tagen etwas aus dem natürlichen Rhythmus gekommen sein mag, nach einem kernigen Lauf wieder im Einklang mit dem Körper. Als hätte man die "RESET-TASTE" gedrückt.
Jeden Lauf empfinde ich somit als Chance wieder in meinen natürlichen Rhythmus zurückzufinden. Zurück - wohin? Das ist eben bei jedem Läufer individuell und manchmal, so habe ich es in der Vergangenheit erfahren, gibt es Menschen, die die Antwort dann erst beim Laufen herausfinden.
Das macht meiner Meinung nach unter anderem deutlich wie flexibel der Laufsport ist! Neben der Tatsache, dass es nahezu kein Wetter gibt, bei dem man NICHT laufen kann, so ist es am Ende auch irrelevant, ob der Lauf dann auch tatsächlich geplant war oder nicht. Ob eine Trainingseinheit in Laufschuhen stattfindet, barfuß, mit oder ohne schicker Sonnenbrille und ob man diese alleine durchzieht oder mit seinem absoluten Schwarm, mit einer Sportkarre inkl. Baby oder mit albernen Freundinnen und einer Menge Storys über "Liebe, Sex und Zärtlichkeiten": Laufen ist absolut BEDINGUNGSLOS und ich bin mir sicher, dass Bedingungslosigkeit eines der Dinge ist, nach denen wir Menschen im Leben suchen und streben. Auch weitere Parameter, von denen ich glaube, dass der Mensch diese im Leben braucht und sucht, werden durch den Laufsport bedient: Laufen ist ECHT! Laufen ist KONGRUENT und EMPATHISCH mit dem, was wir fühlen und mit dem, wer wir sind!
Das mag möglicherweise erstmal ein wenig nach "Farbtherapie" und "Wir spüren die Sonne in den Kniekehlen aufgehen" klingen, doch ich möchte es veranschaulichen: An Tagen, an denen ich mich tendenziell in mir verloren fühle und ich eigentlich niemanden sehen und hören möchte, da gestaltet sich mein Lauf auch im entsprechenden Schneckentempo. Jeder Schritt ist schwerfällig, die Beine fühlen sich an wie Blei, der Rumpf möchte irgendwie so gar nicht mitschwingen, die Atmung wirkt statisch, ich fühle mich unflexibel und würde am liebsten zurück nach Hause - ins Bett und die Decke über den Kopf ziehen!
Mein Laufverhalten deckt sich mit dem, wie ich meinem Leben an diesem Tag begegne. Und so habe ich erfahren, dass Laufen eine direkte KONFRONTATION mit mir selbst ist! Das klingt schon mehr nach Therapie, oder?
Was uns somit auch zu dem Punkt zurückführt, dass Laufen einem die Chance dazu gibt in Konfrontation zu gehen, Dinge anders wahrzunehmen, neu zu sortieren und einfach die "RESET-TASTE" zu drücken! Und wer kennt es nicht? Erst keinen Bock gehabt und dann nach dem Lauf fühlt man sich doch wie neu geboren.
Und genau um diesen Prozess geht es für mich beim Laufen!
Das "Wiedergeburtsphänomen" (so nenne ich es jetzt einfach mal...) ist ebenfalls auf unseren gesamten Organismus zu übertragen. Auf unsere Zellen zum Beispiel. Durch das Laufen schaffen wir auch hier eine Art von Neustart. Wir unterstützen unseren Körper dabei, ekelhafte Stoffwechselabfallprodukte "in die Tonne zu hauen" und schaffen Platz für Nährstoffe und Sauerstoff. Die Zellen sind wieder fit, die Strukturen schick, die Muskulatur gut durchblutet, der Körper wohlig warm und die Bänder, Sehnen und Faszien "im Zen".
Nachweisliche physiologische und biochemische Prozesse, die wir damit begünstigen…und das Ganze „für lau“!
Laufen ist nicht an irgendein Vermögen gekoppelt, das man erstmal am "St. Nimmerleinstag" aufbringen muss, um dann auch endlich "laufen zu dürfen". Nein, Laufen ist bedingungslos und echt, kongruent mit uns und mit dem, was wir fühlen. Laufen ist unabhängig von unserem Bewusstsein. Laufen holt uns genau dort ab, wo wir zu diesem Zeitpunkt stehen!
Und an Tagen, an denen mein Gefühl "Purzelbäume" schlägt und Dopamin und Serotonin in meinem Körper großzügig die Runde machen, da laufe ich und laufe ich...und genieße es, das eben beschriebene Gefühl so intensiv wahrnehmen zu können.
Viele Grüße,
Eure Krystyna