Puhh… T-2… also noch zweimal schlafen, dann geht’s los… Dass ich aufgeregt sein würde, war mir klar und ich dachte, darauf hätte ich mich schon eingestellt… Aber wie sich das jetzt wirklich anfühlt: Ganz komisch. Allerdings nicht negativ. Ich bin gerade dabei mir die Zähne zu Putzen und sitze inmitten von Gels mit den unterschiedlichsten Geschmackssorten, Listen mit Dingen, die ich auf keinen Fall vergessen darf und habe einfach das Bedürfnis, jetzt meine Gedanken aufzuschreiben. Danach werde ich wahrscheinlich ganz andere Dinge im Kopf herumschwirren haben.
Eigentlich denke ich aktuell von Tag zu Tag nur daran, was heute gemacht werden muss, damit Sonntag alles rund läuft. Heute waren zum Beispiel das wichtige Beinerasieren und Fahrradkette Reinigen an der Reihe. Währenddessen bin ich sehr konzentriert und ruhig. Glaube ich zumindest. Von außen kann das hier und da auch anders ausgesehen haben. Sobald ich allerdings nichts Richtiges zu tun habe, außer Beine hochlegen, geht es ab im Kopf. Eine ganz seltsame und noch nie dagewesene Mischung aus aufgeregt, nervös, angespannt und euphorisch sein. Heute Abend freue ich mich schon richtig auf Sonntag, gestern war ich mehr nervös und angespannt. Ich glaube wirklich kontrollieren kann ich das nicht. Es kommt, wie es kommt und jetzt muss noch eine ordentliche Mütze Schlaf her, bevor es morgen zum Rad Check-in geht.
Ein kurzer Rückblick
Ich fahre mit einer gewissen Unsicherheit nach Glücksburg, die mich über eine mögliche Finish Zeit nur Ungewissheiten ausspucken lässt. Nach meinem letzten Wettkampf in Schleswig war ich drei Wochen krank. Eine davon mit Corona. So ein Sch… da bleibt man fast drei Jahre unberührt und vier Wochen vor dem bisher größten Event sowas. Man hat es halt nicht 100% selber in der Hand. Ich habe mich erst einmal vom Arzt durchchecken lassen, ob alles ok ist und wie und ob ich die letzten drei verbleibenden Wochen trainieren darf. Ich war noch nie so aufgeregt bei einem Arztbesuch. Zum Glück hat alles funktioniert und nicht perfekt waren bis jetzt viele Dinge, die dann doch sehr gut ausgegangen sind! Also mal sehen, was diesmal daraus wird.
Gedanken sammeln, analysieren und lernen
Und schon ist es vorbei… Was eine Erfahrung und was ein Abenteuer! Zuallererst möchte ich einmal Danke sagen, an alle die mich und jeden anderen auf der Strecke unterstützt haben! Ich glaube, als Zuschauer*in ist man sich oft gar nicht bewusst, wie gut man jeder Person tut, die man auf der Strecke anfeuert. Auch, wenn man das als Athlet*in während des Wettkampfes nicht immer so zeigen kann…;) Danke!
Wie soll ich jetzt anfangen? In meinem Kopf ist das Ganze noch etwas durcheinander… Dann eben typisch chronologisch Swim-Bike-Run.
Ich hatte mich wegen der absolut nicht optimalen Vorbereitung gefühlt von Ziel- und Splitzeiten verabschiedet… Aber so ganz schafft man das dann anscheinend doch nicht. Also war die Stunde im Wasser irgendwie immer im Kopf dabei, egal wie es grade lief. Mir wurde vorher gesagt: „Du wirst ein wildes Auf und Ab erleben“, aber dass es schon beim Schwimmen so hoch und runter geht, hätte ich nicht gedacht. Ich wollte mich zum Start aus dem großen Getümmel raushalten und dem Gehacke und Gehaue an der ersten Boje so aus dem Weg gehen, um mir dann eine gute Gruppe zu suchen, in der ich schwimmen konnte. Mit einem sehr guten Start konnte ich mich aus allem raushalten. Erstes Ziel erreicht. Das Füße finden war dann allerdings etwas schwerer. Die erste von zwei Runden schwamm ich gefühlt alleine. Auf den Bildern später habe ich dann allerdings gesehen, dass ich einen kleinen Zug hinter mir hatte. Nicht unbedingt das, was ich mir erhofft hatte, aber wann klappt schon mal alles? Dann kam mein taktisches Meisterwerk: in Runde zwei, fast am Ende der ersten langen Geraden, bog ich eine Boje zu früh nach rechts ab. Als mich die Kanuten anhielten und mir zeigten, dass da noch zwei Bojen waren, um die ich schwimmen musste, sah ich ein Stück entfernt auf der richtigen Strecke die Gruppe die sich hinter mir gebildet hatte. Zum Glück sind sie mir nicht nachgeschwommen! Also mit etwas Ärger und einem kleinen Sprint wieder ran an die Gruppe. So war ich jetzt doch in der Position, in der ich sein wollte. Im etwas kraftsparenden Wasserschatten. Und so ging es dann auch in die erste Wechselzone.
Beutel schnappen, Helm auf, Gels einpacken, Uhr um und ab zum Rad. Bis zum Strich schieben und dann rauf da. Irgendwie war mir ein Lächeln ins Gesicht gesprungen nach dem doch etwas wilden Schwimmen. Aber das ist jetzt vorüber und jetzt etwas runter kommen und eine guten Rhythmus finden. Das gelang mir erstaunlich schnell und ich konnte mich, natürlich immer im Abgleich der Herzfrequenz, auf mein Gefühl verlassen. Nicht überziehen und immer an die Verpflegung denken. Das war das Kredo für die Radstrecke. Hier habe ich mich auf große Aufs und Abs vorbereitet. Vor allem die Abs blieben allerdings größtenteils fern. Ich hatte richtig Spaß. Die Strecke hatte auch alles zu bieten. Von verhältnismäßig flachen Drücker-Passagen bis hin zu kurzen kurvigen Abfahren und kleinen knackigen Anstiegen war alles dabei. Mega! Als man an der Verpflegungsstelle in Glücksburg war, fühlte es sich sogar ein wenig wie Tour de France an. Der Hammer! Und so gingen dann die 5:28 Std. wie im Flug vorbei. Also ab in T2.
Laufen auf rohen Eiern nenne es viele wenn man nach so langer Zeit vom Rad steigt. Ein ganz komisches, schwer zu beschreibendes Gefühl. Der Oberkörper hatte sich so an die Zeitfahrposition gewöhnt, dass er auch einen aerodynamischen Lauf hinlegen wollte, was allerdings eher kontra produktiv wäre. Die erste Runde fühlte sich noch sehr gut und kontrolliert an. Die ersten 5km Tempo schön drosseln und an die Verpflegung denken war hier die Vorgabe. Das funktionierte sehr mäßig. Irgendwie kommt dann der Wettkampf Ehrgeiz hoch und ich dachte, das fühlt sich doch locker und kontrolliert an. Ab Runde zwei fing dann allerdings der Magen an sich zu melden. Der wollte jetzt mal das ganze süße Zeug loswerden und lies mein Tempo immer weiter sinken. Ab Runde drei von sechs war der Kopf dann voll und ganz darauf gepolt, das Ding hier zu Ende zu bringen, koste es was es wolle. Ich bin nicht 3,8km Geschwommen, 180km Rad gefahren und bis hierhin 21 von 42km gelaufen um jetzt aufzuhören. Also Kohlenhydratzufuhr etwas runterfahren, ordentlich trinken und immer weiter laufen. Nach einer kurzen Toilettenpause trat langsam Besserung der Situation ein. Die letzten 1 ½ Runden konnte ich dann wieder fast normal laufen. Soweit das halt am Ende eines solchen Tages geht… Der Zieleinlauf war dann die lang ersehnte Erlösung. Ich hatte es geschafft. 10:44:19h stand auf der Uhr, die mir in dem Moment allerdings vollkommen egal war. Ziel erreicht!
Und jetzt?
Nie wieder. Das hatte ich danach die ganze Zeit im Kopf. Ich dachte nur: das ist noch nichts für mich. Aber jetzt, zwei Tage später, denke ich schon wieder darüber nach. mich für die nächste Ausgabe des Ostseeman anzumelden. Vielleicht war auch das mit dem Auf und Ab gemeint, was vorher alle gesagt hatten. Ich würde einfach zu gerne wissen, zu was ich mit einer guten Vorbereitung auf der Langdistanz im Stande bin zu leisten und bin jetzt schon am Überlegen, wie man das nächste Jahr planen könnte und was für Trainingsreize im Winter gesetzt werden könnten, um nochmal eine ordentliche Schippe drauf zu legen. Eins ist mir klar: Das war noch lange nicht alles!
Ich habe mich auch spontan dazu entschieden, noch ein letztes Abschluss-Rennen zu machen, um das sehr wilde Wettkampfjahr ausklingen zu lassen. Also werde ich in Norderstedt am 4.9.2022 über die Olympische Distanz einen Haken hinter mein Triathlon Jahr 2022 setzen und noch einmal vor der Saisonpause das Leiden genießen.
Beste Grüße
Lovis